Barocke Tischlerausstattungen in österreichischen Sakralbauten
Der Erforschung des österreichischen Barockmobiliars sind noch immer enge Grenzen gesetzt, da bislang keine wissenschaftliche Untersuchung mit Referenzstücken vorliegt, die die exakte Datierung von Möbeln und deren Zuordnung zu bestimmten geographischen Regionen ermöglichen würde. Es fehlt eine umfassende Recherche über Tischlerarbeiten mit gesichertem Herstellungsdatum und bekannter Provenienz. Möbel, die der österreichische Adel im 17. und 18. Jahrhundert zur Ausstattung seiner Villen und Palais anfertigen ließ, wechselten häufig den Standort zwischen den verschiedenen Wohnsitzen, was zu einer Durchmischung der Bestände führte. Die Provenienz dieser Möbel ist deshalb nur selten zweifelsfrei zu bestimmen. Infolgedessen muss eine Untersuchung mit dem Ziel, das Schreiben eines Gesamtkatalogs über das frühneuzeitliche Mobiliar zu ermöglichen, zunächst von Inventarstücken in Klöstern und Kirchen ausgehen, und zwar von Stücken, die erwiesenermaßen für den jetzigen Standort geschaffen wurden.
Im Zuge von Forschungsprojekten, die der Österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) großzügig förderte und noch immer fördert, bearbeite ich seit 2008 exemplarische Tischlerausstattungen aus über 80 österreichischen Sakralanlagen, um einen Grundstock mit sicheren Objekten zu erstellen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Chorgestühle, Beichtstühle, Kirchenbänke und Sakristeimöbel. Ergebnisse, die Oberösterreich, Wien und Niederösterreich betreffen, sind in einem Buch zusammengefasst, das 2017 im Böhlau Verlag erschien. Das Buch umfasst mehr als 700 Seiten, 400 Abbildungen, unter denen sich etliche Detailaufnahmen finden, illustrieren den Text. Ein Band mit Möbeln aus den übrigen Landesteilen ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich 2019 publiziert.
Buch und Manuskript sind in zwei übergeordnete Abschnitte eingeteilt. Der erste Teil des Buchs beinhaltet Kapitel zur Entwicklung der Kirchenmöbel, zur Wahl der Handwerker durch Auftraggeber und Mäzene, zum Modus der Auftragsvergabe sowie zur Lage der Werkstätten. Der einleitende Abschnitt des im Werden begriffenen zweiten Bandes ist einer Untersuchung der Arbeitsverhältnisse und Lebensbedingungen von Schreinern in der Frühen Neuzeit gewidmet. Daneben analysiere ich in beiden Büchern die Stilmerkmale der aufgenommenen Sakralmöbel. Grundlegend für den einleitenden Teil ist jeweils ein Katalog mit ausführlichen Beschreibungen der Tischlerarbeiten. Damit liefern der bereits publizierte Band und das Manuskript neben bedeutenden Hintergrundinformationen einen Überblick über die stilistische Entwicklung des sakralen Barockmobiliars in Österreich.
Nun ist ein dritter Band mit einer Studie über Klosterbibliotheken geplant. Legten die österreichischen Konvente lange Zeit keinen allzu großen Wert auf die Gestaltung ihrer Bibliotheksräume, sahen sie seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert in der Errichtung entsprechender Trakte eine neue Herausforderung. Der Anspruch, den man an die künstlerische und handwerkliche Qualität der Ausstattungen stellte, war ungeheuer hoch, wie die prachtvollen Fresken und prächtigen Möbel in den Bibliotheken dokumentieren. Die Tischlerarbeiten wurden in der Regel in der näheren Umgebung ihres jetzigen Aufbewahrungsortes erzeugt. Fragen nach der Provenienz können deshalb ebenso zuverlässig beantwortet werden, wie Fragen nach der Herstellungszeit, die sich nicht nur aus stilistischen Merkmalen, sondern auch aus der jeweiligen Bauchronologie erschließt. Außerdem liefern erhaltene Rechnungen, Arbeitsbücher und andere Schriftquellen Hinweise zu den Handwerkern, die mit den Arbeiten betraut waren. Die Bibliotheksmöbel bilden folglich eine ideale Schnittstelle zwischen sakralen und profanen Stücken.
Die drei Studien geben einen detaillierten Überblick über Möbel, die hinsichtlich ihrer Entstehungszeit und Provenienz nachweisbar sind. Mit Hilfe dieser Referenzstücke kann in einem nächsten Schritt das Schreiben eines Gesamtkatalogs über das österreichische Barockmobiliar erfolgen, das sich dann auch im internationalen Kontext verorten lässt. Die Einbeziehung soziologischer und wirtschaftshistorischer Fragestellungen hebt die Recherche auf ein Niveau, das dem inzwischen gültigen internationalen Standard wissenschaftlicher Arbeiten zur Möbelkunst entspricht.